burgund vintage 2023 report
- maierjanhendrik
- 24. März
- 5 Min. Lesezeit
Ein ertragreicher Jahrgang mit charmanten und eleganten Weinen.
Die Erträge waren hoch und auch die Qualitäten können sich sehen lassen. Eine seltene Kombination aus guter Qualität und hoher Quantität macht diesen Jahrgang besonders. In einigen Kellern ist dies eindeutig ein herausragender Jahrgang, aber garantiert nicht in jedem. Big can be beautiful - muss es aber nicht. Denn große Mengen bedeuten nicht automatisch große Qualität. 2023 war ein heterogener Jahrgang, mit Erträgen, die jede Vorstellungskraft sprengen. Es war die größte Ernte aller Zeiten im wärmsten Jahr aller Zeiten - global sowie im Burgund. Doch der erste Eindruck täuscht, denn die außergewöhnliche Wärme lag vor allem an einem milden Winter. Frühling und Sommer waren weniger extrem, was den Trauben eine ausgewogene Entwicklung ermöglichte. Unterm Strich: Ein genialer Jahrgang, der die Spreu vom Weizen trennt. Wer sein Handwerk versteht, konnte absolute Spitzenqualität herausholen. Manche Betriebe haben hier vielleicht sogar ihre besten Weine aller Zeiten gemacht!

Die Konditionen.
Lassen Sie uns das kurz runterbrechen, damit alle auf dem gleichen Stand sind: Von der Vegetationsperiode bis zur Ernte? Überraschend unspektakulär. Der Winter war warm und trocken. Frühling und Sommer waren eine perfekte Mischung aus Sonne und Regen: mal kühlere Phasen, mal Hitze, aber immer mit einem Regenschauer zur richtigen Zeit. Der Austrieb verzögerte sich auf Anfang April und die Reben blieben so vom Frost verschont. Details wie ein Hagelschauer am 11. Juni in Meursault sparen wir uns an dieser Stelle. Falls es unter Ihnen „Jahrgangsverlaufs- Fetischist:innen“ gibt, lege ich Ihnen den Report von Jasper Morris MW ans Herz.
Crunsh Time.
Die Lese fand für die meisten Weißweinerzeuger:innen an der Côte de Beaune bereits Ende August statt. Die August-Regenfälle und der zunächst kühle Monatsbeginn sorgten für eine langsame Reifephase, bevor die unerwartete Hitze dann plötzlich einsetzte. Wer clever war, konnte zum optimalen Reifezeitpunkt ernten.
Dann kam der 4. September und mit ihm die Hitzewelle. Entscheidungen mussten im Eiltempo getroffen und umgesetzt werden. Innerhalb von zehn Tagen schoss der potenzielle Alkohol um über 2 % vol. nach oben. Besonders für Pinot Noir eine kritische Zeit. Viele Winzer:innen mussten die Lese kurzerhand eine Woche vorziehen, um die Balance im Wein zu halten. Die Hitze machte die Lese schweißtreibend, aber die hohen Erträge hatten auch ihren Vorteil: Es konnte rigoros selektiert werden. Alles, was nicht einwandfrei war, flog kompromisslos raus. Trotz dieser rapiden Entwicklung finden wir kaum Weine mit mehr als 13 % vol. Alkohol. Die zweite Septemberwoche brachte etwas Regen, der die Hitze milderte und somit auch ein größeres Lesefenster öffnete. Doch wann genau der beste Zeitpunkt war, das entschied jede Domaine für sich.
Gerüchten zufolge ernteten in der gleichen Ortschaft manche Betriebe bereits Ende August, während sich andere bis Anfang Oktober Zeit ließen. Wer viel hängen lässt, muss eben länger warten, bis die Trauben reif werden. In den verschiedenen Appellationen waren absolute Höchsterträge das Ergebnis.
Höchsterträge.
Spricht man mit den Winzer:innen über den Jahrgang 2023, wird schnell klar: Die Erträge spielten eine entscheidende Rolle für die Qualität der Rotweine. In einigen Fällen waren die Trauben außergewöhnlich groß – bis zu 300 Gramm schwer, also leicht das Doppelte der Norm. Außerdem wiesen viele Reben eine ungewöhnlich hohe Traubenanzahl auf. An der Côte de Nuits hätten einige Premier Cru Lagen locker über 100 Hektoliter pro Hektar (hl/ha) liefern können. Aber ganz so einfach ist es nicht: Die INAO-Regeln setzen klare Grenzen. Um die geforderte Qualität zu gewährleisten, waren zahlreiche Domaines gezwungen, mehr als die Hälfte des potenziellen Ertrags durch „vendange vert“ (grüne Lese) zu reduzieren. Teils wurden auch während der Lese einige Trauben hängengelassen, um die vorgeschriebenen Maximalerträge nicht zu überbieten. Die gesetzlich festgelegten Höchsterträge variieren je nach Appellation. In gewissen Jahren kann der zugelassene Basiswert unter bestimmten Bedingungen um 15–20 % angehoben werden. Für das Jahr 2023 galten folgende Höchsterträge:
Grand Cru: Rot: 35-37 hl/ha // Weiß: 40-64 hl/ha
Premier Cru: Rot: 40-45 hl/ha // Weiß: 45-68 hl/ha
Village: Rot: 40-45 hl/ha // Weiß: 45-70 hl/ha
Regional: Rot: 50-69 hl/ha // Weiß: 45-70 hl/ha
(Miss)Erfolg.
Der Schlüssel zum Erfolg 2023 war nicht nur die Lage, sondern vor allem die Menschen hinter dem Wein. Die Entscheidungen der Winzer:innen waren in diesem Jahr ausschlaggebend – sorgfältige Handwerkskunst spielte eine größere Rolle als die bloße Lage eines Weinbergs. Letztlich bleibt die Wahl der Produzent:innen wohl das wichtigste Kriterium. Eine renommierte Parzelle, ein früher Lesezeitpunkt und niedrige Erträge sind keine automatische Garantie für herausragende Qualität. Bei unseren Verkostungen zeigten sich Weine mit höheren Erträgen teils überraschend komplex und druckvoll, während manche Weine mit niedrigen Erträgen eher dünn und wässrig wirkten. Der Jahrgang ist geprägt von Vielfalt – und die ist schmeckbar.
Stil.
Aufgrund der Heterogenität widmen wir uns nur den Weinen, mit denen wir arbeiten dürfen. Ausdrucksstark, perfekt balanciert und mit allem ausgestattet, was man sich wünscht: Frische, Spannung und feine Eleganz. Dank der lebendigen Säure fühlt sich der Jahrgang fast wie ein kühler an, überrascht aber mit reifer Frucht, Konzentration und Tiefe. Die Weine sind bereits hervorragend jung anzutrinken, wobei auch das Alterungspotential nicht zu unterschätzen ist. Außergewöhnlich ist die Komplexität bei einer gewissen Leichtigkeit in den Weinen. Nicht ganz so muskulös wie 2022 aber dafür mit mehr Charme und Trinkfreude. Ein hedonistischer Jahrgang mit großem Trinkvergnügen.
Chardonnay.
Die Qualitäten sind durchwegs hoch und homogener als beim Pinot. Da ist für jeden Gaumen etwas dabei - vom „Laserschwert“ bis zum „Sumoringer“. Die Weine sind extraktreich, komplex und voller Energie und überzeugen mit einer vibrierenden Säure und aromatischen Tiefe. Besonders Chassagne-Montrachet sticht hervor, nicht zuletzt dank vieler aufstrebender Winzertalente, die mit beeindruckenden Qualitäten überzeugen.

Pinot Noir.
Die Rotweine sind bereits jung ein Genuss. Sie präsentieren sich frisch, parfümiert, mit saftiger Struktur und charmanter sowie reifer Frucht. Erstaunlich reif, ohne dabei je überreif zu wirken. Die feinen, geschmeidigen Tannine sind perfekt eingebunden und sorgen für Eleganz und Balance. Kurzum: Das sind elegante Weine mit toller Fruchtexpression, die man einfach trinken möchte.
Ausblick.
Der Jahrgang 2024 schlummert zwar noch in den Fässern, doch eines steht bereits fest: Er wird winzig ausfallen. Besonders in der Côte de Nuits kann man von einer katastrophalen Menge sprechen, manche Winzer:innen verzeichnen sogar für einzelne Parzellen einen Totalausfall. Erträge über 15 hl/ha sind eine Seltenheit. Entsprechend werden die Allokationen knapper ausfallen. Für den Jahrgang 2020 zogen bereits viele Winzer:innen ihre Preise stark an, damit auch der ertragsarme Jahrgang 2021 finanziell gecovert werden konnte. Für die Jahrgänge 2022 und 2023 bleibt das Preisniveau relativ stabil. Viele Produzent:innen haben ihre Preise nach oben, aber manche auch mutigerweise nach unten angepasst. Wäre 2024 ein „normaler“ Jahrgang geworden, hätten einige Winzer:innen die Preise für den 2023er Jahrgang wohl noch stärker gesenkt.
Eines steht fest: Die neue Winzergeneration im Burgund will, dass ihre Weine aufgerissen und getrunken werden! In diesem Sinne - viel Vergnügen beim Entdecken des Jahrgangs 2023 und denken Sie daran: guter Wein ist zum Trinken da!
Jan-Hendrik Maier
Weinakademiker
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